1964 - 1976

Kleine Einzylinder und große V2 Motoren mit Königswelle

1964 Das Team Spaggiari/Mandolini gewinnt das 24-Stunden-Rennen von Barcelona mit einer Gran Sport 175.

 

1965 Ducati übernimmt den Import von Triumph-PKW und den Alleinvertrieb für DENTA Bootsmotoren. Die Herstellung von Industriemotoren – ein sehr gewinnbringender Bereich, der Ducati später über die größten Finanzprobleme hinweg helfen wird – überflügelt bald die Motorradproduktion. Fabio Taglioni wollte in diesem Jahr verschiedene Motorkonstruktionen (Desmo 3-Zylinder/Desmo V4...) in Entwicklung bringen, doch die IRI genehmigte nur die Entwicklung eines Parallel-Twins mit der Begründung, daß die anderen Konstruktionen zu teuer, unüblich und zu riskant seien. Das Ergebnis dieser Entwicklungsarbeit – ein 500er Parallel-Twin – wird in Daytona vorgestellt, wird jedoch in dieser Ausführung niemals in Produktion gehen.

 

1968 Die wunderschöne Mark 3, das erste Serienmotorrad der Welt mit desmodromischer Ventilsteuerung wird vorgestellt. Sie ist heute ein äußerst begehrtes Sammlerstück.
1969 Ducati wird wieder verstaatlicht. Im Sport werden die ersten Rallye-Erfolge von Dave Douglas und John McClark errungen. Sie gewinnen die Baja 1000 in Mexico mit einer 350er Scrambler. Alistair Rogers gewinnt erstmals bei der TT auf der Isle of Man mit einer Ducati Desmo 250.

 

1970 Fabio Taglioni beginnt mit der Entwicklung eines 90° V2-Motors, abgeleitet vom Apollo-Triebwerk. Der Vorteil des 90°-Zylinderwinkels sind die geringen Vibrationen durch die Ausschaltung der Massenkräfte, die gute Kühlung des hinteren Zylinders und gute aerodynamische Werte durch seine geringe Stirnfläche. Im laufe des Jahres zieht ein für diese Zeit sehr ungewöhnlich aussehendes Motorrad, bei dem selbst die leistungsstarke Honda CB750 ihr nachsehen hat, im Appenin ihre Bahnen. Im Herbst wird das Geheimnis gelüftet. Die Ducati 750 GT – ein Sportmotorrad mit dem neuen 90° V2-Motor – wird auf der Mailänder Messe vorgestellt.

 

1971 Nach 10 Jahren wird erstmals wieder ein offizielles Ducati-Werksteam antreten. Doch nicht wie allgemein erwartet in der 750er Klasse, sondern in der 500 ccm Grand Prix Königsklasse wird man sich mit Fahrer Bruno Spaggiari den MV Agustas stellen – allen voran Giacomo Agostini. Fabio Taglioni sieht hier ideale Testbedingungen für die Entwicklung von Serienmotorrädern. Zwei verschiedene Motorräder stehen Spaggiari zur Verfügung: Eine Zweiventil-Desmo Werksmaschine mit einem Standard-Rahmen und eine Vierventil-Desmo mit einem Fahrgestell des englischen Rahmenbauers Colin Seely, die zwar eine höhere Spitzenleistung, aber ein sehr schmales nutzbares Drehzahlband hat. Das Seely-Chassis ist dem Standard-Chassis durch sein geringes Gewicht auf Handling-Strecken überlegen. Beim Saisonauftakt, dem Grand Prix in Imola, gelingt Spaggiari mit einem zweiten Platz hinter Agostinis Werks-MV Agusta, vor einer Horde Kawasakis, Yamahas, Lintos und Patons, ein sehr guter Saisonstart. Die Daytona-Formel – eine neue Rennklasse, in der mit modifizierten Rennmaschinen bis 750 ccm gefahren wird – gewinnt stark an Popularität und man entschließt sich, in dieser Klasse eine 750 ccm V2-Rennmaschine einzusetzen. Mike Hailwood oder "Mike the Bike" wie ihn seine Fans nannten, 9-facher Motorradweltmeister und Formel 2-Automobil-Europameister pendelt seit dem Rückzug von Honda 1967 zwischen Motorrad und Auto hin und her. Ducati engagiert ihn für Testfahrten mit der Grand Prix-Maschine und der 750er V2-Rennmaschine. Zum nächsten Renneinsatz von Mike Hailwood mit einer Ducati wird es erst in sieben Jahren kommen.

 

1972 Die Modellreihe der V2-Ducatis wird durch die 750 Sport erweitert. In der Rennabteilung arbeitet Taglioni an einem 350er-Projekt mit einem Dreizylinder-Reihenmotor, zwei obenliegenden Nockenwellen, vier Ventilen pro Zylinder, Benzineinspritzung, Wasserkühlung und einem Sechsganggetriebe, basierend auf Ideen des englischen Konstrukteurs Ford-Dunn. Bei der Entwicklung des Motors, der eine Leistung von 80 PS bei 14.500 Umin erreichte und eine Drehzahlgrenze von 16.000 Umin hatte, kam es zu großen und zu diesem Zeitpunkt unlösbaren Problemen mit der Benzineinspritzung. Taglioni hielt die Einspritzung für eine Voraussetzung und stoppte das Projekt. Kein einziger Testmotor hat jemals das Werk verlassen. Erstmals wird bei Testfahrten auf einer 500er Grand-Prix Werksmaschine eine Einspritzanlage verwendet. Das Motorrad erweist sich als überlegen, die Benzineinspritzung wird jedoch von der FIM mit dem Argument verboten, es handle sich um eine Art Aufladung. Unter Dir. Spairanis Leitung startet erstmals ein Werksteam in der Daytona-Formel. Beim ersten Daytona-Formel-Rennen in Europa auf der Rennstrecke von Imola treten 9 Werksteams von MV-Agusta, BSA, Trimuph, Norton, Laverda, Moto Guzzi, Honda, Kawasaki, Suzuki und BMW mit einem werksunterstützten Privatteam an. Für Ducati starten Bruno Spaggiari, Ermanno Giuliono und Alan Dunscombe mit einer 750-V2-Desmo-Werks-Ducati. Ducati sucht noch nach einem vierten Fahrer, doch keiner der Spitzenfahrer war von der Konkurrenzfähigkeit der Ducatis zu überzeugen. Zuletzt kontaktiert man noch Paul Smart in Kalifornien. Dieser war nicht zu Hause und man verhandelte mit seiner Frau Maggie Sheene (Schwester von Barry Sheene). Sie sagte in Vertretung von Paul zu, als er jedoch davon hörte, wollte er die Vereinbarung rückgängig machen. Smart entschloss sich dann aber doch, nach Europa zu kommen. Bei seiner Ankunft in Bologna glaubt er seinen Augen nicht zu trauen. Ducati hatte 10 Motorräder bereitgestellt und auf Anweisung von Dir. Spairani in einem LKW mit Glaswänden verladen (Zitat: "Die Kunden müssen diese Traummotorräder sehen können"). Beim Training zeigten sich die Ducatis schon deutlich überlegen und das Rennen beendet Paul Smart vor Bruno Spaggiari, beide auf Ducati 750 Sport. Der erste große Sieg einer V2-Ducati war errungen.

 

1973 Die Zahlungsunfähigkeit der Berliner Motor Corporation und ein unnötiges Wachstum der Einzylinder-Modellpalette bringen Ducati in Bedrängnis. Die Modellpalette muss gestrafft werden, es wird jeweils eine 250er, 350er und 450er Einzylinder als Straßenmodell, Desmo und Scrambler, die 750 Sport und eine Sonderserie von Imola-Replicas angeboten. Die Imola Replica ist eine zulassungsfähige V2-Rennmaschine, wie sie von Paul Smart im Vorjahr in Imola eingesetzt wurde und soll in einer Auflage von 25 Stück in der Ducati-Rennabteilung gefertigt werden. Die Nachfrage nach dieser schnellsten Serienmaschine der Welt ist so groß, dass man 200 Stück Ducati 750 SS "Imola Replica" produziert. Leopoldo Tartarinis Design-Büro wird mit dem Entwurf eines Motorrades beauftragt, das einem aggressiven Raubtier ähnlich sehen soll. Dieses Motorrad – die Ducati 850 GT – wird erst 1975 in Produktion gehen. In den nationalen 500ccm-Klassen gibt es noch Ducati-Erfolge, doch in der Weltmeisterschaft übernehmen die 2-Takt-Motorräder endgültig die Vorherrschaft. Generaldirektor Fredmano Spairani stoppt den Werkseinsatz von Ducati. Nur das Heimrennen in Imola in der Daytona-Formel ist geplant. Ein tragischer Unfall verzögert die Vorbereitungen für dieses Rennen. Franco Farne und Massimo Nepoti – Sohn des NCR-Mitbegründers Giorgio Nepoti – kollidieren bei Testfahrten mit zwei 750er Ducatis auf der Autostrada Bologna. Massimo Nepoti stirbt und Franco Farne wird bei diesem Unfall schwer verletzt. Trotzdem nimmt man an diesem Rennen teil. Der letzte werksseitige Einsatz von Ducati und der erste Einsatz des NCR-Teams endet mit einem zweiten Gesamtplatz. Taglioni konzentriert sich mittlerweile auf den Einsatz bei Langstreckenrennen, und gleich die Premiere – das 24-Stunden-Rennen von Barcelona – wird zu einem Triumphzug für Ducati. Die Fahrer Salvador Canellas und Benjamin Grau gewinnen mit ihrer erstmals eingesetzten 864ccm V2-Ducati überlegen mit 16 Runden Vorsprung und halten damit den Runden- und Distanzrekord.

 

1974 Eine große Ära geht zu Ende. Die Produktion der Einzylinder-Königswellen-Baureihe von Marianna bis zur 450er Desmo wird eingestellt. Die IRI gibt den Auftrag, den Parallel-Twin nochmals zu überarbeiten und damit in Serie zu gehen. Taglioni hält dieses Konzept für ungeeignet und weigert sich, diesen Auftrag auszuführen, er droht sogar mit dem vorzeitigen Ausscheiden aus der Firma. Daraufhin beauftragt man den zweiten Ingenieur Tumidei mit der Fertigstellung des Parallel-Twins. Taglionis Befürchtungen sollten sich  bewahrheiten. Ducati zieht sich werksseitig offiziell aus dem Rennsport zurück, statt dessen unterstützt man das NCR-Team (NCR= Nepoti-Caracchi-Racing) mit Hauptsitz in Bologna, nahe der Ducati-Fabrik.

 

1975 Auf der Mailänder Messe werden einige neue Motorräder von Ducati vorgestellt. Die Ducati GTL350 / 500 mit Parallel-Twin – ein Motorrad, bei dem sich sehr bald herausstellen wird, dass es große Mängel wie geringe Leistung, hohes Gewicht, hohen Verbrauch, Motorundichtheit, Vibrationen u.s.w. aufweist. Die Ducati 860 GT wurde nach Design-Entwürfen von Giorgio Giugiaro gebaut. Das ungewöhnliche Design stieß bei den Ducati-Kunden auf wenig Gegenliebe. Man wollte damit ein Motorrad nach japanischem Vorbild bauen, das den Tourenfahrer und Sportfahrer gleichermaßen ansprechen sollte, doch mit diesem Kompromiss setzte man sich zwischen zwei Stühle. Ein für Ducati untypisches Fahrzeug war die Regolarita 125, eine Geländesportmaschine, die keine Besonderheiten aufweisen konnte und im Vergleich zur Konkurrenz zu schwer war. Taglioni verweigerte die Kooperation beim Projekt "Regolarita" mit den Worten: "Ich weiss genug über die Zweitakter und ich hasse sie". Die Grundidee für dieses Fahrzeug war, ein Ducati-Einsteiger-Modell zu schaffen und später den Hubraum auf 400 ccm zu erhöhen. Doch das Fahrzeug erwies sich als unverkäuflich und die Produktion wurde rasch eingestellt. Der Verkauf der 860 GT läuft sehr schleppend, doch die Nachfrage nach einer 900 SS wäre groß und so entschließt man sich, zuerst eine Kleinserie mit dem 864er Desmo-Motor in der Rennabteilung zu fertigen – die GT. Wieder ist die Nachfrage nach diesem nun schnellsten Serienmotorrad der Welt (mit 225 km/h ist die 900 SS um 11 Km/h schneller als die Kawasaki Z1 oder die Laverda 1000) so groß, dass man es in die normale Serienproduktion übernimmt. Benjamin Grau und Salvador Canellas gewinnen das 24-Stunden-Rennen von Barcelona und zwei Wochen später gewinnt Grau mit dem jungen Italiener Virginio Ferrari das 1000km-Rennen von Mugello.

 

1976 Durch die Ölkrise steigt die Produktion der Dieselmotoren und es kommt in Borgo Panigale zu großen Platzproblemen. Tartarinis Design-Studio entwirft ein Motorrad mit einer hinreissenden Linienführung. Den ungewöhnlichen Namen "Darmah" verdankt dieses Motorrad einem legendären menschenfressenden Tiger aus Sandokan. Die 900 SD Darmah – eine sanfte tourentaugliche Version der 900 SS mit Desmodromik und Elektrostarter – wird vom Markt sehr positiv aufgenommen.